Die Anzahl der Menschen, die sich selbst als Vegetarier einordnen, steigt seit den letzten Jahren. Dies wird von zunehmender Forschungsarbeit im Bereich Vegetarismus begleitet. Unter einer vegetarischen Ernährung versteht man im weitesten Sinne den Ausschluss von Fleisch, Fisch und Meeresfrüchten. Es gibt jedoch verschiedene Untergruppen des Vegetarismus, die eine einheitliche Definition erschweren. Dazu gehört beispielsweise der Lacto-Vegetarismus (Einbeziehung von Milchprodukten), Ovo-Vegetarismus (Einbeziehung von Eiern) und Ovo-Lacto-Vegetarismus (Einbeziehung von Milchprodukten und Eiern). Ebenfalls sind die Begriffe Semivegetarismus (Verzicht auf rotes Fleisch) oder Flexitarismus (gelegentlicher Verzehr von Fleisch) in der Literatur zu finden. Die Beweggründe für eine vegetarische Ernährungsweise sind unterschiedlich, wobei Ethik, Tierschutz und Gesundheit an vorderster Stelle stehen. Die Richtung der gesundheitlichen Auswirkungen durch eine vegetarische Ernährungsweise hängt von den persönlichen Beweggründen ab.

In diesem Beitrag wird die Übersichtsarbeit von Mathieu, Hanras und Dorard (2023) vorgestellt, welche 133 Humanstudien beinhaltet, die zwischen 2000 und 2022 veröffentlicht wurden. Dabei handelt es sich um Beobachtungs- und Interventionsstudien, welche die Zusammenhänge zwischen Vegetarismus, Body-Mass-Index (BMI) und Essstörungen untersuchen. Ziel dieser Übersichtsarbeit war es, den aktuellen Forschungsstand zusammenzufassen. 

Die Auswertung der Beobachtungsstudien ergab, dass Vegetarier unabhängig vom Geschlecht oder Alter durchschnittlich einen niedrigeren BMI und eine niedrigere Prävalenz von Adipositas als Omnivore aufweisen. Studien, die Unterschiede im BMI nach Geschlecht und Alter untersuchten, beobachteten nur bei Männern und bei 19- bis 23-Jährigen einen Unterschied. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass der BMI mit zunehmender Einschränkung der Lebensmittelauswahl sinkt. 

Die meisten Interventionsstudien zeigten, dass eine vegane oder ovo-lakto-vegetarische Ernährung zu einer Gewichtsabnahme führen kann. Ein signifikanter Gewichtsverlust zeigte sich ebenfalls, wenn zu Studienbeginn ein höheres Gewicht vorlag, eine längere Intervention oder ein Interventionsprogramm mit dem Ziel der Gewichtsabnahme durchgeführt wurde. Einige Studien deuten auf eine größere Wirkung einer veganen Ernährung auf die Gewichtsabnahme hin, während andere Studien keinen Unterschied zwischen einer veganen und omnivoren Ernährung zur Gewichtsreduktion feststellen konnten.

Der Zusammenhang zwischen Vegetarismus und Essstörungen wurde in verschiedenen Studien untersucht, bei denen größtenteils standardisierte Methoden zur Beurteilung einer Essstörung verwendet wurden. Studien, die keine standardisierte Methoden verwendet haben, zeigten unterschiedliche Ergebnisse. Eine Studie zeigte, dass Vegetarier häufiger Kontrollverluste und ungesunde Verhaltensweisen zur Gewichtskontrolle aufweisen als Omnivore. Eine andere Studie konnte keinen Unterschied feststellen. Bei Studien mit standardisierten Methoden kamen verschiedene Fragebögen zum Einsatz, darunter beispielsweise der Eating Disorder Examination Questionnaire (EDE-Q) oder der Eating Attitudes Test (EAT). Auch hier wurde von heterogenen Ergebnissen berichtet. Die Untersuchungen zur allgemeinen Bevölkerungsstichprobe ergaben einerseits eine höhere Prävalenz von Essstörungen bei Vegetariern als bei Omnivoren, andererseits wurden auch gegenteilige Ergebnisse beobachtet. Hinsichtlich der Lebensmittelauswahl bei verschiedenen Ernährungsweisen konnte nicht immer ein Unterschied festgestellt werden. Die Untersuchungen zur klinischen Bevölkerungsstichprobe ergaben eine höhere Prävalenz von Vegetarismus bei Personen mit Essstörung als bei Personen ohne Essstörung und mehr Essanfälle bei Vegetariern mit Adipositas im Vergleich zu Omnivoren mit Adipositas. Zudem wurde beobachtet, dass etwa die Hälfte der Patienten mit Anorexia nervosa bereits vor ihrer Essstörung auf eine vegetarische Ernährungsweise umgestiegen sind und Vegetarismus vermehrt bei bisher nicht geheilten Patienten auftritt. Als Hauptbeweggrund für die Umstellung auf eine vegetarische Ernährungsweise wurde der Wunsch der Gewichtskontrolle angegeben. 

Ebenfalls wurde der Zusammenhang zwischen Vegetarismus und Orthorexie untersucht. Unter Orthorexie versteht man den Zwang nach gesundem Essen. Sie wird bisher nicht zu den Essstörungen gezählt. Die Studien, die diesen Zusammenhang untersuchten, verwendeten verschiedene Messinstrumente, darunter beispielsweise der Bratman Orthorexie Test (BOT) und die Düsseldorfer Orthorexie-Skala (DOS). Die meisten Studien haben gezeigt, dass sowohl Vegetarier als auch Veganer im Vergleich zu Omnivoren häufiger orthorektische Verhaltensweisen zeigten. Dies trifft insbesondere auf Personen mit gesundheitlichen Beweggründe für eine vegetarische Ernährungsweise zu. Hingegen zeigten Personen mit Tierschutz als Beweggrund keine Anzeichen einer Orthorexie. Es wird jedoch nicht nur eine vegetarische Ernährung mit Orthorexie in Verbindung gebracht, sondern allgemein die Einhaltung einer beliebigen Ernährungsweise.

Zusammenfassend hat diese Übersichtsarbeit gezeigt, dass Beobachtungsstudien homogene Ergebnisse in Bezug auf den Zusammenhang zwischen Vegetarismus und Gewicht liefern, sodass eine vegetarische Ernährung zur Gewichtsreduktion beitragen kann. Da eine vegetarische Ernährung häufig Teil eines gesunden Lebensstils ist, sind diese Ergebnisse möglicherweise auch auf weitere Lebensstilfaktoren (Bewegung, Alkohol, Rauchen) zurückzuführen. Interventionsstudien zeigten dagegen heterogene Ergebnisse. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die meisten Studien an übergewichtigen Personen durchgeführt wurden und das Ziel eine Gewichtsreduktion durch Interventionsprogramme war, was nicht Teil eines alltäglichen Lebensstils ist, wie es bei einer vegetarischen Ernährung der Fall ist. Ein Zusammenhang zwischen Vegetarismus und Essstörungen konnte nicht eindeutig gezeigt werden. Diese heterogenen Ergebnisse könnten laut den Autoren auf unterschiedliche Stichproben und Messmethoden sowie eine fehlende einheitliche Definition von Vegetarismus zurückgeführt werden. Studien ohne standardisierte Methoden zeigten eher heterogene Ergebnisse als Studien mit standardisierten Methoden. Zudem zeigten Studien mit standardisierten Methoden in Bezug auf die Allgemeinbevölkerung trotz unterschiedlicher Methoden heterogenere Ergebnisse als Studien, die auf die klinische Bevölkerung bezogen waren. Ebenfalls haben verschiedene Studien gezeigt, dass die persönlichen Beweggründe für eine bestimmte Ernährungsweise entscheidend für die Richtung der gesundheitlichen Effekte sind. Gesundheitsorientierte Beweggründe für eine vegetarische Ernährung seien hier relevanter als ethische Gründe. Es wurde einheitlicher gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen Vegetarismus und Orthorexie besteht. Dieser Zusammenhang bezieht sich jedoch nicht nur auf Vegetarismus, sondern auch auf andere spezielle Ernährungsweisen.

 

 

Mathieu, S., Hanras, E., & Dorard, G. (2023). Associations between vegetarianism, body mass index, and eating disorders/disordered eating behaviours: a systematic review of literature. International journal of food sciences and nutrition, 74(4), 424–462. https://doi.org/10.1080/09637486.2023.2232953