Arachidonsäure als potenziell kritischer Nährstoff für Vegetarier/innen und Veganer/innen: Handlungsempfehlungen des Forschungsinstituts für pflanzenbasierte Ernährung (IFPE)

  1. Einleitung

Arachidonsäure (ARA, 20:4n-6) ist eine vierfach ungesättigte langkettige Omega-6-Fettsäure und kommt fast ausschließlich in tierischen Lebensmitteln vor. Als Folge nehmen Veganer[1] bzw. Vegetarier mit der Nahrung keine bzw. weniger ARA auf als Mischköstler (omnivore Ernährung). Grundsätzlich kann der Körper eines Erwachsenen ARA mit Hilfe mehrerer Enzyme aus der essenziellen zweifach ungesättigten Fettsäure Linolsäure (LA, 18:2n-6) bilden. LA ist reichlich in pflanzlichen Ölen sowie in Nüssen und Ölsaaten vorhanden. Bei Säuglingen, vor allem Frühgeborenen, ist diese Eigensynthese hingegen nicht oder nur eingeschränkt möglich. Daher gilt ARA in dieser Lebensphase als (semi)essenziell (Chamorro et al., 2023; Crozier et al., 2019; Hadley et al., 2016; Jones & Rideout, 2014). Darüber hinaus können genetische Faktoren einen hemmenden Einfluss auf die ARA-Synthese haben und somit einen niedrigeren ARA-Status begünstigen. Aktuell wird daher diskutiert, ob die körpereigene Bildung von ARA ausreicht, um, insbesondere bei veganer Ernährung, den physiologischen Bedarf an ARA zu decken (Burns-Whitmore et al., 2019; Chamorro et al., 2023).

Vor diesem Hintergrund zielen diese Handlungsempfehlungen sowie das in einem Fachjournal eingereichte Positionspapier darauf ab:

a) den aktuellen Forschungsstand zur Zufuhr und zum Status von ARA bei Vegetariern und Veganern darzustellen, mit besonderem Fokus auf kritische Lebensphasen in der frühen Kindheit (Schwangerschaft, Stillzeit, Säuglinugsalter) sowie im Kindes- und Jugendalter

b) erste Empfehlungen für die Versorgung mit ARA bei vegetarischer und veganer Ernährung abzuleiten.

 Zu diesem Zweck wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt, in die Untersuchungen eingeschlossen wurden, die folgende Einschlusskriterien erfüllten:

  • Beobachtungsstudien mit gesunden Vegetariern und/oder Veganern
  • Publikationen in englischer oder deutscher Sprache
  • Studien mit Teilnehmern aus westlichen Ländern (da sich diese in ihrer Ernährung sowie Genetik von Menschen in anderen Weltregionen, z. B. Asien, unterscheiden)
  1. Physiologische Funktionen von ARA

ARA ist an vielfältigen Funktionen im Körper beteiligt. Hierzu zählen:

  • Aufrechterhaltung der Zellintegrität und Membraneigenschaften
  • normale Funktion des Gefäß- und Immunsystems
  • Signaltransduktion und Gentranskription
  • Muskelreparatur und -wachstum
  • wichtigste Vorstufe von Eicosanoiden (wichtig für Herz-Kreislauf-System, normale Lungen- und Nierenfunktion, Fortpflanzung, Knochenumsatz, Hormonfreisetzung für Zellproliferation, Immunsystem)

(Fan et al., 2024; Hadley et al., 2016; Jones & Rideout, 2014; Tallima & El Ridi, 2018).

ARA ist außerdem besonders in der frühkindlichen Entwicklung, unter anderem für die Entwicklung der Organe, Gewebe und Membranen im Mutterleib wichtig (Hadley et al., 2016; Koletzko et al., 2020; Kuipers et al., 2012). Dies ist sehr wahrscheinlich ein Grund dafür, dass der ARA-Gehalt in der Muttermilch stabil und auch die ARA-Übertragung über die Plazenta ernährungsunabhängig konstant ist(Brenna et al., 2007; Fu et al., 2016; Grote et al., 2016; Koletzko, 2016; Koletzko et al., 2020). Studien zeigen zwar, dass Säuglinge nach der Geburt ARA synthetisieren können, aber diese körpereigene Bildung ist eher gering und die ARA-Blutkonzentrationen der Kinder nehmen kurz nach der Geburt ab (Carnielli et al., 2007; Crawford et al., 2015; Koletzko et al., 1996). Daher empfehlen Fachgesellschaften in den ersten sechs Lebensmonaten, Säuglingen vorgeformte ARA, entweder über Muttermilch oder Säuglingsanfangsnahrung, zu geben, um ausreichend hohe ARA-Konzentrationen für eine normale Entwicklung zu gewährleisten.

  1. Mangelsymptome

ARA-Mangelsymptome sind nur schwer von Mangelsymptomen der Vorstufe LA zu trennen. LA (ebenso wie die zweite essenzielle Fettsäure α-Linolensäure) ist für die Funktion aller Gewebe notwendig, wodurch ein Mangel zu einer Vielzahl von Symptomen führen kann (Jones & Rideout, 2014). So äußert sich ein Mangel unter anderem in verminderten Wachstumsraten, schuppiger Dermatitis, Unfruchtbarkeit, verminderten Entzündungsreaktionen sowie Nieren- und Leberanomalien. Aufgrund des reichlichen Vorkommens von LA in der Nahrung sind Mangelerscheinungen beim Menschen jedoch selten (Jones & Rideout, 2014; Le et al., 2009; Leitzmann & Keller, 2020).

Bei Kindern, vor allem bei Frühgeborenen, kann ein ARA-Mangel das Wachstum beeinträchtigen. Außerdem ist ein Mangel mit einer höheren Säuglingssterblichkeit verbunden (Hadley et al., 2016; Koletzko et al., 2020) (Forsyth et al., 2017). Genetisch bedingt kann die ARA-Konzentration aufgrund einer verringerten Enzymaktivität erniedrigt sein, was bei Säuglingen mit Asthma oder schlechteren kognitiven Leistung einhergehen kann (Koletzko et al., 2020; Salas Lorenzo I et al., 2019; Schaeffer et al., 2006). In Europa sind etwa 25-50 % der erwachsenen Bevölkerung von solch einer verringerten Enzymaktivität betroffen. Man bezeichnet sie auch als „slow converters“. In der Folge kommt es zu niedrigeren ARA-Konzentrationen im Blut, die jedoch noch ausreichend zu sein scheinen, vor allem bei einer höheren LA-Zufuhr bei pflanzenbasierter Ernährung (Ameur et al., 2012; Koletzko et al., 2019; Schaeffer et al., 2006).

  1. Zufuhrempfehlungen und tatsächliche Zufuhr von ARA

Die Europäische Behörde für Lebensmittesicherheit (EFSA) und andere nationale und internationale Institutionen stufen ARA als nicht essenzielle Fettsäure ein und haben daher keine Referenzwerte für die tägliche Zufuhr veröffentlicht – mit Ausnahme eines Schätzwerts für eine „adäquate Zufuhr“ (Adequate Intake, AI) von 140 mg/d (EFSA) für Säuglinge im Alter von 0 bis < 6 Monaten (EFSA Panel on Dietetic Products, Nutrition, and Allergies (NDA), 2010; EFSA Panel on NDA, 2013).

Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat keinen Referenzwert herausgegeben, klassifiziert ARA jedoch für Säuglinge als bedingt essenziell und empfiehlt, die Fettsäure mit der Säuglingsanfangsnahrung zugeführt werden (Deutsche Gesellschaft für Ernährung et al., 2021).

Die durchschnittliche ARA-Zufuhr in den deutschen European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC)-Kohorten (Heidelberg/Potsdam) betrug bei mit Mischkost ernährten Frauen 160/140 mg/d und bei Männern 230/230 mg/d (Linseisen et al., 2003). Diese lag somit im geschätzten Zufuhrbereich für ARA in Industrieländern (101-351 mg/d (Forsyth et al., 2016) bzw. 100-250 mg/d (Kawashima, 2019)).

Von den 27 in der Literaturrecherche eingeschlossenen Studien mit Erwachsenen berichteten zwölf Studien die ARA-Zufuhr von Vegetariern und Veganern (Weder et al., under review). Zusammenfassend zeigen die Studien eine geringere ARA-Zufuhr bei vegetarischen und veganen Erwachsenen im Vergleich zu Mischköstlern. Demnach betrug die durchschnittliche tägliche ARA-Aufnahme bei Vegetariern 0–60 mg/d, bei Veganern 0–46 mg/d und bei Mischköstlern 84–700 mg/d.

  1. ARA-Status bei Erwachsenen

Zwölf von 24 Studien zeigten keine Unterschiede im ARA-Status, in elf Studien (20 Vergleiche) hatten Vegetarier und Veganer niedrigere ARA-Konzentrationen als Mischköstler. Eine Studie beobachte höhere ARA-Konzentration bei Vegetariern. Wenn Vegetarier/Veganer einen niedrigeren ARA-Status im Vergleich zu Mischköstlern hatten, hatten diese in der Mehrheit der Studien (etwa 60 % der Vergleiche) ARA-Konzentrationen, die zwischen 2 und 15 % niedriger waren als die von Mischköstlern.

Diese Ergebnisse, die zunächst auf einen niedrigeren ARA-Status bei pflanzenbasierter Ernährung hinweisen, müssen differenziert betrachtet werden. Zum einen waren die Unterschiede zwischen den Ernährungsgruppen größtenteils moderat (meist ≤ 15 %) und zum anderen überwiegend im Blutserum oder -plasma zu finden. Die ARA-Konzentrationen in Blutplasma oder -serum zeigen eher die Kurzzeitversorgung an, während die ARA-Konzentrationen in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten) die übliche ARA-Zufuhr widerspiegeln. Dieser Langzeitmarker für den ARA-Status unterschied sich überwiegend nicht zwischen einer Mischkost und einer pflanzenbasierten Ernährung. Daher scheint bei Vegetariern und Veganern die körpereigene Umwandlung von LA in ARA ausreichend zu sein. Unabhängig davon wird diskutiert, dass Mischköstler tendenziell zu hohe ARA-Werte aufweisen, was in der Folge die Entstehung chronisch-entzündlicher Erkrankungen begünstigt, während niedrigere ARA-Werte hier vorteilhaft sein könnten (Ameur et al., 2012). Aktuell gibt es jedoch keine allgemein gültigen Referenzbereiche für ARA-Blutwerte, um auf eine ausreichende ARA-Versorgung zu schließen und diese final beurteilen zu können.

Neben LA gibt es noch weitere Fettsäuren (v. a. EPA und DHA), die den ARA-Blutstatus beeinflussen. So kann eine hohe Zufuhr von EPA und DHA die ARA-Konzentrationen im Blut senken (Kakutani et al., 2011; Kawashima, 2019). Entsprechend sollten EPA und DHA über Nahrungsergänzungsmittel nur bis zu einer Menge von 250-500 mg/d (kombiniert) eingenommen werden, um ein Absinken der ARA-Konzentrationen zu vermeiden (Weder et al., under review).  

  1. ARA-Zufuhr und -Status bei Schwangeren, Stillenden, Kinder und Jugendlichen

Schwangere und Stillende sowie deren Säuglinge

Nur sehr wenige Studien haben die ARA-Zufuhr und den -Status von schwangeren (n = 3) und stillenden (n = 4) Frauen bei vegetarischer oder veganer Ernährung untersucht. Während in einer der drei Studien mit schwangeren Frauen keine Unterschiede in den ARA-Konzentrationen (Erythrozyten, Plazenta, Nabelschnurblut) festgestellt wurden, berichteten die beiden anderen Studien über niedrigere ARA-Konzentrationen im Serum bei schwangeren Vegetarierinnen und Veganerinnen. Die Ergebnisse der PREGGIE (Pregnant vegan women)-Studie unserer Arbeitsgruppe mit veganen und mit Mischkost ernährten Schwangeren zeigten hingegen, dass sich der ARA-Status in der Spätschwangerschaft in beiden Ernährungsgruppen nicht signifikant unterschied. Dies deutet darauf hin, dass der ARA-Spiegel im Verlauf der Schwangerschaft auch bei veganer Ernährung aufrechterhalten werden kann (Koeder et al., unveröffentlichte Daten).

Keine der eingeschlossenen vier Studien zeigte Unterschiede in der ARA-Konzentration der Muttermilch von veganen/vegetarischen und mit Mischkost ernährten Frauen. Dies deckt sich mit der Auffassung der meisten Experten, dass die ARA-Konzentrationen in der Muttermilch relativ stabil sind und nicht durch die mütterliche Ernährung beeinflusst werden (Brenna et al., 2007; Del Prado et al., 2001; Fu et al., 2016; Grote et al., 2016; Koletzko, 2016; Koletzko et al., 2020). Ebenso gab es keine signifikanten Unterschiede in den ARA-Konzentrationen im Plasma von Säuglingen, die von vegetarischen/veganen Müttern oder von Mischköstlerinnen gestillt wurden.

Kinder

Die Literaturrecherche ergab zwei Studien, in denen die ARA-Zufuhr, und eine Studie, in der der ARA-Status von vegetarischen und veganen Kindern untersucht wurde. Obwohl keine Unterschiede im ARA-Status zwischen mit Mischkost ernährten, vegetarischen, semi-vegetarischen und veganen Kindern (n = 51) in der Slowakei festgestellt wurden, können aus nur einer Studie keine endgültigen Schlussfolgerungen gezogen werden. Bei nicht-vegetarischen ein- und zweijährigen Kleinkindern in Kanada wurden auch keine Zusammenhänge zwischen der (LA- und) ARA-Zufuhr und dem (LA- und) ARA-Blutstatus  festgestellt (Wiedeman et al., 2020), was sich mit den Ergebnissen einer früheren Studie mit Kleinkindern (1-11 Jahre) in den USA deckt (Orton et al., 2008). Wiedeman et al. stellten die Hypothese auf, dass ihre Ergebnisse durch Anpassungsmechanismen in der ARA-Regulation erklärt werden können und die zirkulierenden ARA-Mengen während der kindlichen Entwicklung streng reguliert werden (Wiedeman et al., 2020). Infolgedessen ist eine ARA-Supplementierung bei Kleinkindern und älteren Kindern, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, möglicherweise nicht erforderlich.

  1. Vorläufige Handlungsempfehlungen bei vegetarischer und veganer Ernährung

Die folgenden Handlungsempfehlungen, die aus der vorliegenden Literatur abgeleitet wurden, beziehen sich auf gesunde Erwachsene und gelten nicht für andere Personen (z. B. Patienten mit entzündlichen Erkrankungen).

 Allgemeine Empfehlungen für gesunde Erwachsene

Zwar gibt es bisher keine allgemein anerkannten Referenzbereiche der ARA-Blutkonzentrationen, anhand derer einfach festgestellt werden kann, ob der ARA-Status einer Person ausreichend ist. Aufgrund der vorhandenen Datenlage können aber dennoch Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Für gesunde Erwachsene, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, empfehlen wir keine ARA-Nahrungsergänzung, da die körpereigene Umwandlung von LA in ARA ausreichend zu sein scheint. Selbst die sogenannten slow converter (langsame Umwandler) sind höchstwahrscheinlich in der Lage, aufgrund der höheren LA-Zufuhr bei pflanzlicher Ernährung genügend ARA zu bilden. Um sicher zu gehen, sollten Ernährungsfaktoren, die die Umwandlung von LA in ARA hemmen, wie gesättigte Fette, Cholesterin, trans-Fettsäuren und Alkohol (Das, 2018), limitiert werden. Für eine optimale Umwandlung von LA in ARA könnte es ratsam sein, ein Verhältnis von n-6 (LA) zu n-3 (ALA) von > 1:1 beizubehalten. Andernfalls werden n-3-Fettsäuren im Vergleich zu n-6-Fettsäuren bevorzugt umgewandelt (Davis & Kris-Etherton, 2003), was dann zu niedrigeren ARA-Spiegeln führen könnte. In den meisten Fällen ist jedoch das LA:ALA-Verhältnis bei Vegetariern (13:1) und noch mehr bei Veganern (19:1) deutlich höher als das von Mischköstlern (9:1) (Mann et al., 2006).

Zusätzliche Empfehlungen für schwangere und stillende Frauen sowie deren Säuglinge

Um eine endgültige Empfehlung für vegetarische und vegane Schwangere auszusprechen, gibt es zu wenige Daten. Vermutlich besteht jedoch keine dringende Notwendigkeit für Schwangere, ARA über eine Nahrungsergänzung zuzuführen, da der ARA-Transfer über die Plazenta nicht mit dem ARA-Status und der ARA-Zufuhr der Mutter in Zusammenhang steht (Koletzko et al., 2020). In der Muttermilch ist die ARA-Konzentration ebenfalls stabil, sodass auch für Stillende keine ARA-Nahrungsergänzung notwendig erscheint.

Darüber hinaus empfehlen wir, Säuglinge mindestens vier bis sechs Monate lang ausschließlich und weiter bis (mindestens) zum ersten Geburtstag ergänzend zu stillen. Bei einer veganen Ernährung bietet die Muttermilch auch nach dem ersten Geburtstag des Kindes viele Vorteile. Wenn Stillen nicht möglich ist, empfehlen die Fachgesellschaften im ersten Lebensjahr dringend eine Säuglingsnahrung mit ARA. Empfohlen werden 140 mg ARA pro Tag in den ersten sechs Monaten (EFSA Panel on NDA, 2013) und eine ausgewogenes Zufuhrverhältnis von ARA:DHA von mindestens 1:1 (Fan et al., 2024; Koletzko et al., 2008). Da (omnivore) Beikost meist ebenfalls nur geringe Mengen an ARA enthält (Hadley et al., 2016), sollte die ARA-Zufuhr möglicherweise erhöht werden. Allerdings gibt es in Europa keine Empfehlungen für die ARA-Zufuhr über das Alter von sechs Monaten hinaus.

Generell wird davon ausgegangen, dass die Entleerung der mütterlichen ARA-Speicher bei Schwangeren und Stillenden wahrscheinlich verhindert wird, da die Speicher durch die körpereigene Umwandlung von LA in ARA wieder aufgefüllt werden.

Kleinkinder (1-3 Jahre)

In den ersten beiden Lebensjahren reichert sich ARA in den Körperzellen an, daher erscheint es besonders wichtig, den ARA-Bedarf in dieser Zeit zu decken. Es liegt nur eine Studie über den ARA-Status von vegetarischen und veganen Kleinkindern vor. Endgültige Empfehlungen für Kleinkinder können daher nicht abgeleitet werden. Die beiden oben erwähnten Studien mit omnivoren Kleinkindern (1-2 Jahre) und jungen Kindern (1-11 Jahre) ergaben jedoch keinen Zusammenhang zwischen der ARA-Zufuhr und den ARA-Blutkonzentrationen. Dies deutet darauf hin, dass der ARA-Status streng reguliert ist und dass die körpereigene Bildung den ARA-Bedarf während der kindlichen Entwicklung deckt (Orton et al., 2008; Wiedeman et al., 2020). Daher wird eine ARA-Ergänzung bei Kleinkindern, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, nicht empfohlen.

Kinder und Jugendliche

Hier liegt eine Studie mit Kindern und Jugendlichen im Alter von 11-15 Jahren aus der Slowakei vor, in der es keine Unterschiede im ARA-Status zwischen Mischköstlern, Semi-Vegetariern, Vegetariern und Veganern gab (Krajcovicova-Kudlackova et al., 1997). Dies deutet, zusammen mit Daten zu omnivoren Kindern (Orton et al., 2008; Wiedeman et al., 2020), darauf hin, dass die körpereigene ARA-Bildung in diesem Alter ausreicht und eine Ergänzung daher nicht notwendig ist.

  1. Zusammenfassung

Die langkettige mehrfach ungesättigte Omega-6 Fettsäure Arachidonsäure (ARA) kommt in pflanzlichen Lebensmitteln praktisch nicht vor. Daher wird diskutiert, dass es bei einer überwiegend pflanzlichen Ernährung zu einem ARA-Mangel kommen kann. Die Autoren der vorliegenden Handlungsempfehlungen geben einen Überblick über den aktuellen wissenschaftlichen Stand zu ARA bei vegetarischer und veganer Ernährung, mit besonderer Berücksichtigung der Risikogruppen Schwangere, Stillende und Säuglinge sowie Kinder und Jugendliche. Auf Grundlage der vorliegenden wissenschaftlichen Literatur können die folgenden vorläufigen Handlungsempfehlungen abgeleitet werden:

  • Gesunde Erwachsene sowie schwangere und stillende Frauen sind in der Lage, ARA aus der Vorstufe Linolsäure zu bilden und benötigen daher auch bei pflanzlicher Ernährung keine ARA-Nahrungsergänzung.
  • Säuglinge sollten in den ersten vier bis sechs Monaten ausschließlich und bis (mindestens) zum ersten Geburtstag ergänzend gestillt werden oder eine ARA-haltige Säuglingsanfangsnahrung erhalten, da in diesem Alter die körpereigene Bildung von ARA eingeschränkt sein kann.
  • Kinder ab einem Jahr und Jugendliche scheinen unabhängig von ihrer Ernährungsweise in der Lage zu sein, im Körper ausreichende Mengen an ARA herzustellen.

Diese Empfehlungen zur Sicherstellung der ARA-Versorgung bei pflanzenbasierter Ernährung sind aufgrund der dürftigen Datenlage, besonders bei Risikogruppen, vorläufig. Weitere Forschung ist hier dringend notwendig.

 

  1. Literatur

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[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text das generische Maskulinum verwendet. Es bezieht sich jedoch auf alle Geschlechter gleichermaßen.

 

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